Im Rahmen des paritätischen Wechselmodells stellte sich bisher die Frage, wer Unterhaltsansprüche für das Kind geltend machen kann, da die gesetzliche Regelung grundsätzlich auf die Obhut des Kindes abstellt. Üben die Eltern das paritätische Wechselmodell aus, verfügt keiner der Elternteile über die alleinige Obhut des Kindes, so dass bisher in diesen Fällen ein Ergänzungspfleger bestellt oder aber ein Sorgerechtsverfahren nach § 1628 BGB (Alleinentscheidungsbefugnis in einer einzelnen Angelegenheit) geführt werden musste.
In der Praxis hat dies dazu geführt, dass Unterhaltsansprüche im Rahmen des Wechselmodells nur sehr zurückhaltend geltend gemacht worden sind, da zuvor entweder ein sorgerechtliches Verfahren nach § 1628 BGB durchgeführt werden musste oder aber die Bestellung eines Ergänzungspflegers notwendig war. Dies war also immer mit weiteren Kosten verbunden.
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 10.04.2024 (XII ZB 459/23) nunmehr klargestellt, dass im Falle des paritätischen Wechselmodells bei nicht miteinander verheirateten Elternteilen beide Elternteile hinsichtlich des gegen den jeweils anderen Elternteil gerichteten Unterhaltsanspruchs vertretungsbefugt sind. Der Bestellung eines Ergänzungspflegers oder einer Entscheidung nach § 1628 BGB bedarf es nicht.
Damit hat der BGH seine frühere Rechtsprechung aufgegeben. Sind die Kindeseltern mithin nicht bzw. nicht mehr verheiratet, kann der andere Elternteil einen Unterhaltsanspruch trotz des praktizierten Wechselmodells gegenüber dem anderen Elternteil als vertretungsberechtigter Elternteil des Kindes geltend machen.
In diesem Zusammenhang ist vom BGH jedoch noch nicht entschieden, ob gleiches für verheiratete Ehegatten gilt, die ebenfalls das paritätische Wechselmodell praktizieren. Dies führt zu einer Schlechterstellung verheirateter Kindeseltern, da diese bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Rahmen des Wechselmodells zunächst einen Ergänzungspfleger bestellen lassen oder aber eine sorgerechtliche Entscheidung nach § 1628 BGB erreichen müssen.
Das OLG Karlsruhe hat jedoch nunmehr in seiner Entscheidung vom 15.03.2024 (5 UF 219/23) festgestellt, dass bei der Geltendmachung von Kindesunterhalt im praitätischen Wechselmodell bei verheirateten Eltern die Vorschrift des § 1629 Abs 3 BGB analog anzuwenden sei. Dies führt dazu, dass jeder Elternteil dahingehend vertretungsberechtigt ist, Kindesunterhaltsansprüche im Rahmen des paritätitschen Wechselmodells gegenüber dem anderen Eltern geltend machen zu können. Auch bei verheirateten Elternteilen ist es laut der Entscheidung des OLG Karlsruhe nicht mehr notwendig, einen Ergänzungspfleger zu bestellen bzw. das Verfahren vorab nach § 1628 BGB durchzuführen. Damit wird eine Schlechterstellung verheirateter Kindeseltern gegenüber den nicht verheirateten Kindeseltern vermieden.
Ob der BGH diese Rechtsauffassung teilt, bleibt abzuwarten. Es bestehen jedoch gute Gründe dafür, dass der BGH einen solchen Fall ebenso entscheiden würde.
Für die Praxis hat sich hierdurch die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche im Rahmen des paritätitischen Wechselmodells stark vereinfacht.
Wenn Sie hierzu Fragen haben, lassen Sie sich gerne von Ihren Fachanwälten Nina Seidemann und Christoph Bockhöfer beraten.