NEUES AUS DEM ARBEITSRECHT

Rechtsprechungsänderung bei Überstunden?

Das Landesarbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 25.06.2017 die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes deutlich infrage gestellt. Bisher war es für Arbeitnehmer schwierig, tatsächlich geleistete Mehrarbeit im Streitfall auch vergütet zu bekommen.

Nach dem Bundesarbeitsgericht musste zunächst genau dargelegt werden, von wann bis wann die Arbeit stattfand oder der Arbeitnehmer sich auf Anweisung zur Arbeit bereitgehalten hat. Darüber hinaus musste sodann dargestellt und bewiesen werden, dass der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen sind, die Mehrarbeit also angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls erledigte geschuldete Arbeit erforderlich war (so zuletzt BAG, Urteil vom 10.04.2013). Das Landesarbeitsgericht Berlin stellt diese Rechtsprechung in Zweifel und zwar ausdrücklich vor dem Hintergrund, dass in Deutschland in sehr erheblichem Umfang Mehrarbeit anfalle und es nicht sein könne, dass diese regelmäßig nicht vergütet werde, da der Arbeitgeber schließlich „Herr im eigenen Betrieb“ sei und er deshalb mithilfe seines Direktionsrechtes und im Rahmen der Betriebshierarchie vermeintlich aufgedrängt Überstunden vermeiden könne, in dem er den Arbeitnehmern die Ableistung der Mehrarbeit verweigert.

Zukünftig wird ein Arbeitgeber sich vorsorglich deshalb Mehrarbeit ausdrücklich verbieten müssen, will er sie nicht bezahlen, was konkreter Regelungen gegebenenfalls auch im Arbeitsvertrag bedarf. Denn nun dürften Ansprüche, folgt dem die übrige Rechtsprechung, aufgrund nachweisbarer Überstunden wesentlich einfacher bei Gericht durchsetzbar sein.

Ausschlussfristen gelten auch bei Urlaubsabgeltung

Mit Urteil vom 17.10.2017 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine arbeitsvertragliche Verfallklausel (Anspruchsentfall meist binnen drei Monaten, wenn keine schriftliche Geltendmachung erfolgt) auch bei Urlaubsabgeltungsansprüchen Wirksamkeit entfaltet. Entscheidend hierbei:

Die für den Lauf einer Ausschlussfrist maßgebliche Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs tritt im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine arbeitgeberseitige Kündigung bereits mit Ablauf der Kündigungsfrist ein. Auch bei einem eingeleiteten Kündigungsschutzverfahren bei Gericht und dessen Beendigung durch Vergleich oder Urteil muss nach Ablauf der Kündigungsfrist innerhalb der Verfallfristen der Anspruch geltend gemacht worden sein, um ihn noch durchsetzen zu können.

Unwirksamkeit verlängerter Kündigungsfristen

Mit Urteil vom 26.10.2017 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen für Arbeitnehmer in allgemeinen Geschäftsbedingungen (also in einem üblichen Arbeitsvertrag) eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers sein kann, wenn kein angemessener Ausgleich gewährt wird. Zwar erfolgte die Entscheidung in einem sehr speziellen Fall, hier erfolgte nämlich erst später im Laufe des Arbeitsverhältnisses eine entsprechende Zusatzvereinbarung. Jedoch sind die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze auch generell geeignet, die heute noch absolut übliche Praxis der Verlängerung der Kündigungsfristen auch für den Arbeitnehmer zeitlich gleichlautend wie für den Arbeitgeber als rechtswidrig anzusehen.

Das Bundesarbeitsgericht argumentiert hier umfangreich und nachvollziehbar mit den grundrechtlich geschützten Positionen des Arbeitnehmers auf Berufsfreiheit. Der Gesetzgeber hält eine Frist von vier Wochen für die Personalplanung des Arbeitgebers nach § 626 Abs. 5 BGB grundsätzlich für ausreichend. Eine beiderseitige Verlängerung der Kündigungsfrist ist zwar grundsätzlich zulässig, jedoch ohne angemessenen Nachteilsausgleich möglicherweise unwirksam.

Dies hat ganz erhebliche praktische Auswirkungen: Zukünftig können Arbeitnehmer (wahrscheinlich), auch wenn sie arbeitsvertraglich etwas anderes (ohne Nachteilsausgleich) vereinbart haben, auch nach vielen Jahren Betriebszugehörigkeit mit einer Frist von vier Wochen zum 15. eines Monats oder zum Monatsende kündigen und damit deutlich leichter und einfacher den Arbeitgeber wechseln. Ob diese Rechtsprechung aber auch auf tarifvertragliche Verlängerungen der arbeitnehmerseitigen Kündigungsfristen Anwendung finden wird, darf bezweifelt werden.